Wiedersehen mit Ammanu: Der “Neue Plan”!


Der “Neue Plan” kam uns noch kurz vor unserer Abreise aus Aral (05.07): Wenn es für Ammanu u.a. aufgrund der Visa-Problematik nicht möglich ist, sich mit Kohja Ahmad Yasavi Mausoleum - Turkistan uns in Taschkent (Uzbekistan) zu treffen, könnte es vielleicht klappen, dass sich zumindest Zabi – der Dolmetscher, der Ammanu 2004 nach Deutschland begleitete, und den wir in Taschkent wiedersehen werden – mit Ammanu in Mazar e Sharif (Afghanistan), dem Wohnort von Zabi, trifft. Zabi könnte dann Ammanu für eine Nachsorgeuntersuchung ins Krankenhaus begleiten und uns in Taschkent aus “erster Hand” berichten, wie es Ammanu heute geht.
Bereits aus Aral haben wir daher Zabi über diesen Plan informiert. Er wird alles versuchen, Ammanu zu erreichen und ihn nach Mazar e Sharif einladen. Sollte der Plan gelingen, wäre das großartig und die letzten Kilometer bis Taschkent hätten für uns wieder eine ganz andere Bedeutung: voller Spannung und Vorfreude! Bis Taschkent sind es auch nur noch ca. 400 km, denn bereits vor fünf Tagen (13.07) sind wir nach insgesamt 7500 km in Turkistan, eine für glaubige Muslime Zentralasiens neben Medina  und  Mekka bedeutende Stadt, angekommen. Und auf dem Weg von Aqtöbe im Norden Kasachstans, 50 km von der Grenze zu  Russland entfernt, und Turkistan, im Süden Kasachstans, haben wir eine ganze Menge erlebt…

Aqtöbe – Die neuntgrößte Stadt Kasachstans

Gefühlt ist es schon einige Zeit her, dass wir in Aqtöbe, der mit ca. 250000 Einwohnern neuntgrößten Stadt Kasachstans, gewesen sind. Dabei ist unsere Ankunft in Aqtöbe erst knapp drei Wochen her (20.06).
Vielleicht ist es eine Folge des dauernden “unterwegs seins” und des “ständig Neuen”, dass wir manchmal Schwierigkeiten haben, uns daran zurück zu erinnern, wie z.B. unser Zeltplatz vor drei Tagen ausgesehen hat. Wir treffen uns mit Marhaba, die an der Universität Aqtöbe bzw. an der Marat Ospanov Akademie Medizin studiert und die wir über couch-surfing kontaktiert haben. Marhaba kommt ursprünglich aus Aral und lebt seit einem Jahr in Aqtöbe. Übernachten können wir bei ihr nicht. Sie teilt sich ein Ein-Raum-Appartement mit vier Mitstudentinnen!
Obwohl wir uns fragen, wie es möglich ist, bei all dem Gewussel, dass eine solche fünfer WG mit sich bringt, überhaupt zusammen leben zu können, hat es Marhaba geschafft, aufgrund ihrer guten Prüfungsleistungen ein staatliches Stipendium zu erhalten, sodass ihre Eltern keine Studiengebühren und keine Miete bezahlen müssen. Zudem umfasst das Stipendium einen - nach unserem Ermessen kleinen – monatlichen Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten in Höhe von umgerechnet 50 Euro. Für Marhaba ist es hingegen das einzige Geld, dass ihr zur Verfügung steht…

Mehrmals treffen wir uns mit Marhaba. Zum Sightseeing, einfach so zum Quatschen, oder zum Organisieren von Fragen “Rund um die Registrierung von Ausländern in Kasachstan”. Ein Thema, mit dem wir uns nochmal in Kyzlorda, also ca. 1000 km später, zusammen mit der Migrationspolizei ausführlich beschäftigen sollten. Denn ob und wie sich Ausländer in Kasachstan nach der Einreise zu registrieren haben, ist bei den Behörden nicht ganz eindeutig geklärt. Marhaba, die Muslimin ist, zeigt uns die neue Moschee der Stadt. Wir zeigen ihr die russisch-orthodoxe Kirche, die nur wenige hundert Meter von der Moschee entfernt steht, sie aber noch nie besucht hatte. Jeder erfährt eine Menge Neues: Wir z.B. die füf Gebetszeiten der Moslems, sie den Dreifaltigkeitsglauben der Christen…

Gastfreundschaft – Das 6000 km Geschenk

Von Aqtöbe (23.06) fahren wir weiter Richtung Süden. Zwischen Qandyaghash und Emba springt unser Tacho auf die 6000 km Gesamtdistanz. Wie bei jedem vollen Tausender halten wir kurz an und ”verewigen” uns mit einem Zettel und dem Text: “www.ammanu.de 6000 km  Klaus  Jörn” auf einem Strassenschild. So auch diesmal. Es ist schon Abend und plötzlich hält ein grauer Russen-Jeep an. Anara, die englisch spricht, ist zusammen mit einem Freund und ihrem Vater auf dem Nachhauseweg von einer Feier. Der Vater ist “wodkagutgelaunt” und begrüßt uns voll Freunde, als wir erzählen wer wir sind, und was wir machen. Sofort werden wir zur Übernachtung eingeladen. Da ihr zuhause in Emba noch über 70 km entfernt liegt, kann das nicht klappen, und wir verabreden uns zum Mittagessen am nächsten Tag zwischen 11.00 und 12.00 Uhr. Ein tolles 6000 km Geschenk für uns. Wir tauschen Handy Nummern aus, damit wir am nächsten Tag anrufen können, wenn wir Emba erreichen. Wir haben auch eine kasachische Handy Nummer. Leider ist das Netz in der Steppe jedoch noch nicht vollständig ausgebaut, sodass wir manchmal zwei bis drei Tage im Funkloch waren. Auch als wir Anara und ihre Familie treffen, sind wir im Funkloch.  Diese sind sehr besorgt, dass wir in der Steppe übernachten, sodass sie am nächsten Tag, als wir aus dem Funkloch gegen 10.00 herausfahren schon 13 Anrufe in Abwesenheit haben und eine kurze SMS: “We are waiting. When are you coming?” (Wir warten. Wann seid ihr da?).

Pünktlich um 11.30 erreichen wir Emba. Wir fahren direkt ins Haus von Anaras Bruder. Dort ist schon alles vorbereitet. Es ist das erste Mal, dass wir ein typisches Haus in Kasachstan betreten. Es besteht aus sechs Räumen, ist einstöckig und mit flachem Giebel gebaut. Die Mauern bestehen aus Lehmziegeln, die ebenfalls mit Lehm verputzt, und innen und außen weiß gekalkt sind. Hinter der Eingangstür befindet sich der erste Raum, die Küche. Hiervon geht ein Flur ab, an dem dem die übrigen Räume liegen. Ein Essraum, ein Vorratsraum, das Schlafzimmer der Eltern, das Schlafzimmer für die Kinder und eine Art “gute Stube”. Alle Räume sind recht reduziert eingerichtet. Teppiche hängen an den Wänden. Stühle gibt es keine, denn typischerweise wird auf dem Boden sitzend, vor einem ca. 30 cm hohen Tisch gegessen. Nur in der “guten Stube” steht eine Sofa Garnitur an der Wand. Aber kein Tisch. Fließend Wasser gibt es nicht. Es muss mit Handkübelwagen von im Ort verteilten Brunnen herbeigeschafft werden. Ebenso das Wasser für die Dusche, die wir erstmal benutzen. Ein Holzverschlag mit schwarzem Wassertank auf dem Dach.

Beschbarmak – Das Nationalgericht Kasachstans

Die Gastfreundlichkeit von Anaras Familie ist sehr herzlich und ehrlich. Sie haben Beschbarmak, das Nationalgericht Kasachstans, für uns gekocht. Wörtlich übersetzt heißt es “5 Finger”, da es mit den Händen gegessen wird. Es besteht im Wesentlichen aus Kartoffeln, dünnen Teigplatten und Hammelfleisch. Serviert wird Beschbarmak in einer großen, flaschen Schüssel. Alle – insgesamt über 10 Erwachsene und Kinder – sitzen im Esszimmer um den niedrigen Tisch und schnell ist das Beschbarmak aufgegessen und die Bäuche sind voll. Im Anschluss trinken wir schwarzen Tee und naschen verschiedene Süßigkeiten. Bevor wir weiterfahren, schlafen wir noch eine Stunde auf den typischen bunten Schlaf- und Sitzdecken in der “guten Stube”. Zum Abschied schenkt Anara jedem von uns eines Tibuti, die traditionelle Kopfebedeckung der Männer in Kasachstan, die in der Form einer Jurte, dem Wohnzelt der Normaden, nachempfunden ist. Anara und ihre Familie bringen uns noch aus dem Ort heraus auf die Straße, die uns weiter nach Shalgar führt. Die Straße ist wieder miserabel. Die Asphaltdecke hat sich aufgelöst. Zwar sind gut ausgeruht, trotzdem kommen wir nur mit 13 – 15 km/h voran.

Warum wir das Treffen mit Anaras Familie so ausführlich beschreiben, liegt neben dem einfach tollen Erlebnis leider auch daran, dass wir fast keine Photos von dem Tag haben. Zwar haben wir eine Vielzahl an Photos gemacht, doch die Speicherkarte in der Digital Camera hatte sich zuvor einen Virus eingefangen und vielleicht alle Bilder auf der Karte zerstört. Zumindest können wir z.Z. nicht auf die Bilder zugreifen. Immer dann, wenn wir unsere Speicherkarte an irgendwelchen Computern in Internet-Cafes anschließen, um Bilder auf die Homepage hochzuladen, besteht die Gefahr, dass ein Virus die Speicherkarte unbrauchbar macht. Sehr ärgerlich, dass es genau die Bilder von unserem bisher intensivsten Kasachstan-Erlebnis erwischt hat…

Druschba – Die Deutsch – Schweizer Pätkestour

Die Straße hinter Emba ist so schlecht zu befahren, dass wir nach 20 km eine kurze Pause machen. Der Ort ist zufälling gewählt, mitten in der Steppe, ca. 50 km bis zur nächsten Ortschaft. Kurz bevor wir wieder losfahren wollen, fragt Klaus, ob das am Horizont nicht ein Zelt sei, und ob nicht ein Radfahrer auf uns zukommen würde…Und in der Tat. Ein Radfahrer kommt auf uns zu. Es ist Pascal, der im März aus der Schweiz gestartet ist, um nach Tibet zu fahren. Unterwegs hat er zufällig Michael getroffen, der ebenfalls aus der Schweiz stammt, jedoch in Koblenz wohnt und auf dem Weg in die Mongolei ist. Natürlich beenden wir unseren Radeltag und gesellen uns zu den beiden. Nach drei Monaten macht es mal wieder richtig Spaß, sich mit anderen als “nur” mit seinem Reisepartner  in seiner Muttersprache unterhalten zu können und über die bisherigen Reiseerfahrungen auszutauschen. Schnell merken wir, dass wir alle vier eine ähnliche “Reisephilosophie”, haben und ohne darüber zu sprechen, ist klar, dass wir bis sich unsere Wege in Shymkent trennen werden, zusammen radeln.

Nicht nur, dass wir uns gut verstehen, wir ergänzen uns auch hervorragend. So können wir z.B. von nun an sehr komfortabel kochen, denn mit drei Kochern, können wir gleichzeitig Nudeln zubereiten, Tomatensoße anrühren und Spiegeleier braten. Das Frühstück beginnt von nun an auch schon mal mit “Armen Rittern” und das Abendessen endet mit einem Tomaten-Gurke-Zwiebel-Salat. Für uns sind die Zeiten von Nudeln mit Ketchup erstmal vorbei. Zwar stehen wir weiterhin gegen 5.30 auch, doch quatschen wir uns beim Frühstück auch schon mal fest und sind trotzdem erst um 10.00 auf dem Rad. Und wenn wir unterwegs auf eine Tschaika – eine Teestube, in der es auch warme Speisen gibt – treffen, bleiben wir auch schon mal 5 Stunden, um die Mittagshitze zu überbrücken. Man  könnte meinen, wir machen eine Deutsch – Schweizer Pätkes Tour – also eine Radtour auf  landwirtschaftlichen Nutzwegen und Nebenstraßen, wie wir sie von zuhause aus dem Münsterland und Osnabrücker Land, z. B. von Bad Iburg über das Kloster Vinnenberg nach Telgte, kennen…

Aber ganz erhlich, wir alle, Klaus, Jörn, Pascal und Michäl, sind wirklich froh, uns genau zu diesem Zeitpunkt getroffen zu haben, denn die Fahrt von Emba bis Aral fürt weiterhin durch die Steppe, weiterhin auf teilweise extrem schlechten Straßen, mit bis zu 120 km Wegstrecke zwischen zwei Ortschaften an denen wir Wasser und Nahrungsmittel kaufen können. Und zu viert mit guter Stimmung kommt man da einfach besser durch, als alleine oder zu zweit. Als eine der anstrengensten Etappen wird uns aber dennoch die Anfahrt auf Aral (30.06) in Erinnerung bleiben. Wir starten früh und fahren durch die Mittagshitze, um “früh” in Aral anzukommen, und um ohne zuviel Hektik das Hotel zu suchen und Abendessen einkaufen zu können. Es ist so heiß, dass z.B. der Schweis im Gesicht direkt verdunstet und nur die Salzablagerungen auf der Haut in der Flussform des Schweißes zurückbleiben. Hinzu kommt auf den letzten 10 km der ingesamt 120 km langen Tagesetappe ein heftig wechselnder Gegen- und Seitenwind, der uns fasst in die Knie zwingt…

Die Fahrt bis Aral war nicht immer so anstrengend. An einigen Tagen war der Himmel leicht bewölkt und morgens manchmal sogar ziemlich kühl. Teilweise so kühl, dass wir nochmal die lange Radfahrhose auspackten und die Jacke angezogen haben. Woher so plötzlich dieser kalte Wind gekommen ist – wir hatten morgens Temperaturen um die 10 bis 12 Grad - bleibt uns ein Rätsel, den eins, zwei Tage später, hatten wir morgens bereits wieder die üblichen 20 bis 25 Grad…

Organisation – Der wirklich anstrengende Teil der Radreise

Wir bleiben fünf Nachte in Aral. Jeder von uns hat eine Menge zu organisieren. Das ist der eigentlich anstrengende Teil der Radreise – auch, wenn es wie beschrieben, machmal anders klingt… Pascal und Michael müssen sich sehr intensiv um ihre Folgevisa für die Mongolei und China kümmern. Das ist sehr zeitaufwendig und vor allem nervenaufreibend. Denn wirklich zuverlässige Informationen, ob es z.B., wie im Fall von Pascal möglich ist, ein Visum für China in Biskek, der Hauptstadt Kirgisiens, zu beantragen, kann niemand liefern. Auch wir waren gezwungen, uns nach Abschluss der Visaplanungen nochmals mit dem Thema beschäftigen. So wurde zwar von “unserem” Reisebüro in Münster, Starwind Reisen, der korrekte Visa Zeitraum beantragt, doch von der chinesischen Botschaft in Berlin ein anderer Zeitraum in unserem Zweitpass bzw. im Visum ausgestellt. Wir mussten daher überlegen, ob wir mit dem neuen Visazeitraum “leben können”, oder ob wir das Visum anullieren und neu beantragen sollten und berücksichtigen, ob ingesamt noch genügend Zeit bleibt, die Zweitpässe nach Taschkent in Usbekistan schicken zu lassen, wo wir sie benötigen, um damit nach Krigisien ausreisen zu können. Wir haben das Erstvisum anulliert und die Pässe sind bereits auf dem Weg nach Taschkent. Wir hoffen, dass die Pässe zeitgleich mit uns dort eintreffen. Denn ohne die Visa für Kirgisien, China und Russland wäre die Radreise wahrscheinlich früher zu Ende als geplant…

Alle Planung und Organisation findet im einzigen Internet Cafe von Aral statt. Ein kleiner Raum mit nur zwei Computern. Wir müssen uns also abstimmen, wer wann “ins Netz” möchte. Zum Glück verstehen wir uns mit dem Betreiber sehr gut. Er heißt oder nennt sich – ganz haben wir das nicht herausbekommen – DOS, wie das gleichnamige Betriebssystem für Computer…Was für ein lustiger Zufall…Zum Glück können wir bei DOS über das Internet telefonieren (skypen) und können so mit Zabi in Afghanistan telefonieren und den “Neuen Plan” besprechen. Denn eigentlich ist Skype in Kasachstan nicht erlaubt, da Kazak-Telkom, der staatliche Telekommunikationsanbieter, Internet-Telefonie verbietet, da ihm hieraus Umsatzverluste entstehen -  zumindest ist uns das so in Atyrau und Aqtöbe erklärt worden. In Aral bzw. bei DOS scheint dies jedoch kein Problem zu sein…

Bei all der Organisation ist das Hotel in Aral nicht gerade ein Oase der Ruhe und Erholung. Das Bad begrüßt uns mit einem Blick in den offenen Spülkasten der Toilette. Der hat auch seinen Zweck, denn die Spülung funktioniert nur bei direktem Griff in den Spülkasten. Ein Waschbecken gibt es nicht. In der Badewanne ist nur ein Wasserhahn montiert. Natürlich liefert der nur kaltes Wasser. Das sind wir schon gewohnt. “warm Duschen” war früher. Jörns Bett knarrt, wenn er sich beim Schlafen auf die Seite dreht, so laut, das Klaus jedes Mal wach wird. Und die Matratze von Klaus sieht aus, als haette sie schon die Zarenzeit miterlebt, so alt und verdreckt ist die Matratze. Zumindest funktioniert die Klimaanlage halbwegs. Die beiden Schweizer haben es noch schlechter getroffen. Die Klimaanlage ist nur laut. Der PVC Fußboden löcherig, sodass sich der darunterliegende Sand im Zimmer verteilt. Nach einem Tag ist die Toilette verstopft und das ganze Zimmer riecht wirklich unangenehm. Einen Zimmerservice gibt es nicht, Mülleimer leeren wir selber und Toilettenpapier kaufen wir auch selber ein. Nur einmal schlafen wir in Aral richtig gut. In der Nacht, als wir am Vorabend das heimische Bier probieren und am nächsten Tag spontan noch einen Ruhetag in Aral anhängen (04.07)…

Aralsee - Eine der größten Umweltkatastrophen der Welt

Viele haben schon von der Umweltkatastrophe am Aralsee gehört. Um große Teile der eigentlich sehr trockenen Grassteppe des heutigen Kasachstans und Usbekistans als Anbauflache für Getreide und Baumwollpoduktion zur Sowjet Zeit nutzen zu können, wurde über eine Vielzahl an Kanälen ein großer Teil des Wassers der beiden Zuflüsse zum Aralsee, dem Amudarija-  und dem Syrdarja- Fluss, entnommen. In knapp 40 Jahren (von 1960 bis 2000) ging durch diese Entnahme die Wasserfläche des Aralsees um über 40 % zurück. Von ca. 68.000 auf 29.000 Quadratkilometer (Zum Vergleich: Das Bundesland Niedersachsen ist ca. 47.000 Quadratkilometer groß). Große Teile des ehemaligen Aralsees sind heute verlandet und zurück bleibt eine Salz- und Staubwüste, die aufgrund des ehemaligen Einsatzes von hochgiftigen Schädlingsbekämpfungsmitteln und übermäßigem Einsatz von Düngemitteln für die Bevölkerung stark gesundheitsgefährdent ist. Trotz der weitreichenden Auswirkungen der Verlandung des Aralsees, ist die Aufmerksamkeit in der westlichen Welt eher gering…

Auch die Stadt Aral ist direkt vom Rückgang des Aralsees betroffen. War Aral früher eine Hafenstadt mit florierender Fischindustrie, ist die Küstenlinie des Aralsees heute über 60 km vom Aralsee entfernt. An Fischerei ist daher nicht mehr zu denken. Im ehemaligen Hafen von Aral stehen noch die Kräne der Kaianlage zum Löschen der Schiffsladung und im ehemaligen Hafenbecken liegen verrostete Schiffswracks herum. Den Aralsee haben wir auf unserer Radreise somit nicht gesehen – nur Teile seines ehemaligen Beckens, in dem bereits neue, kleine Siedlungen entstanden sind. Wir fragen uns, welches Schicksal Menschen haben müssen, um in dieser unwirklichen und für Menschen trostlosen und lebensfeindlichen Gegend zu siedeln…

Syrdarja – Der Fluss der die Steppe begrünt

Die Weiterfahrt von Aral in Richtung Süden über Zhangaqazaly (06.07), Baykonur, dem Standort des Weltraumbahnhofs der Russen (07.07), Kyzlorda (10.07) bis Turkistan (13.07) ist landschaftlich ähnlich wie die Strecke vor Aral. Weite Graslandschaften , die teilweise extrem flach, teilweise wellig hügeling sind. Wie fast immer wird die Steppe von sehr geraden und bis zum Horizont reichenden Straßen durchzogen - deren Verlauf wir nur erkennen  können, wenn die Steppe zumindest etwas hügelig ist. Ist die Steppe flach, ist das Ende der Straße nicht zu erkennen. Jedoch wird diese Form der Steppe mehrfach plötzlich unterbrochen. Und zwar genau dann, wenn wir parallel zum Fluss Syrdarja oder einer seiner Zweigkanäle  fahren. Dann ist die Steppe grün. Links und rechts der Straße sehen wir riesige Reisfelder oder grüne Busch- und Strauchlandschaften. Die Dörfer, an denen wir vorbeifahren haben wieder schattenspendende Bäume und teilweise säumen sogar Alleen die Straßen. Kurz vor Turkistan können wir dann an zahlreichen Ständen köstliche Honig- und Wassenmelonen kaufen uns sehen dabei auf den Feldern den Landwirten bei der Getreideernte zu. Dieser Landschaftswechsel vollzieht sich mehrfach und immer so plötzlich, das uns sehr eindringlich bewusst wird, wie lebensspendend Wasser ist. Aber auch, das Wasser die Heimat von Millionen von Mücken ist, die uns, vor allem abends, beim Kochen, das Leben schwer machen und stechen, stechen, stechen…

Trotz der Trockenheit und “Einöde” der Steppe, hat auch dieser Landstrich seine Schönheit. Der für uns schoneste Teil liegt sicherlich ca. 40 km vor der ehemaligen Seidenstraßen Stadt Sauran. Wir zelten hier auf einer Anhöhe und können die Steppe überblicken und sehen am Horizont schon das bis 2200 m hohe Qaratauzhotasy Gebirge. Die Steppe leuchtet gerade in der Abendsonne in einem unbeschreiblich warem Gelbton. Die Nacht ist sternenklar. Keine Wolke ist am Himmel. Keine Mücke stört. Es weht ein angenehmer leichter Wind aus Nordwest. Wir schlafen nicht im Zelt, sondern draußen und wachen am nächsten Morgen auf, als uns die Sonne mit ihren ersten Strahlen an der Nase kitzelt…

Der angenehme Wind aus Nordwest bedeutet für uns auch Rückenwind, da wir in südostlicher Richtung fahren. Endlich mal kein Gegenwind. Hinzu kommt eine halbwegs vernünftige Asphaltdecke, sodass wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von bis zu 23 km/h auf Turkistan zufahren und für 100 km nur etwas mehr als vier Stunden Fahrzeit benötigen.

Wir bewegen uns während der gesamten Fahrt durch Kasachstan auf sehr unterschiedlichen Höhenmetern. Den Bereich um das Kaspische Meer durchfahren wir mit Höhenmetern von bis zu - 30 m. Also 30 Meter unterhalb des eigentlichen Meeresspiegels. Davon merken wir natürlich nichts. Dem gegenüber befinden wir uns hinter der Stadt Shalgar plötzlich auf + 600 Höhenmetern. Im Vergleich zu den Bergen, die wir in Usbekistan und vor allem in Kirgisistan zu überfahren haben, sind diese Höhenunterschiede ein leichtes Aufwaremtraining, denn hier erwarten uns Pässe von z.B. 2600 Metern in Usbekistan (Kamchik Pass) oder sogar von 3600 Metern in Kirgisien (Taldyk Pass). Mal sehen, ob wir uns dann die Steppe zurück wünschen…

3 x Turkistan = 1 x Mekka

Jetzt sind wir erstmal in Turkistan. Hier steht das bedeutenste Bauwerk Kasachstan. Das Mausoleum von Kohja Ahmad Yasavi, der um 1100 geboren wurde und hier lebte und lehrte. Er ist der wichtigte Religionsstifter Zentralasiens, da er den Sufismus, die vorherrschende Richtung des Islams in Zentralasien, der Bevölkerung näher brachte. Von weit her pilgern die Gläubigen, um die Grabstätte Yasavis zu besuchen. Yasavi ist so bedeutend für die Muslime in Zentalasien, das, so haben wir gehört, drei Pilgerreisen nach Turkistan eine Pilgerreise nach Mekka gleichkommt.

Kasachstan war für uns das erste muslimische Land auf unserer Reise, wobei der Glaube in Kasachstan recht liberal gelebt wird. Außerhalb von Moscheen sehen wir selten Kopftücher tragende Frauen. Uns überrascht, dass sogar das Mausoleum von Yasavi in kurzer Hose und ohne Kopftuch zu betreten ist. Da sind wir nicht mehr all zu sehr erstaunt, als wir in unserem Sprachführer Kasachstan lesen, dass zum Wodka in Kasachstan auch schon mal ein Stück Speck gegessen wird. Aber egal, wie liberal oder konservativ der Glaube gelebt wird, es ist für uns sehr interessant, mehr über den Islam zu erfahren, um das bisherige Halbwissen, dass wir mit uns herumtragen, zu erweitern. So war es für Jörn z.B. in Atyrau das erste Mal überhaupt, dass er eine Moschee betreten hat…

Vier Nachte, bis zum 17.07  wollten wir in Turkistan bleiben, um dann über Shymkent weiter nach Taschkent in Usbekistan zu fahren. Jetzt sind fünf daraus geworden. Uns alle vier hat am dritten bzw. vierten Tag in Turkistan eine Magen-Darm-Verstimmung erwischt.  Nichts Wildes, aber etwas schlapp fühlen wir uns schon. Wo wir uns die Verstimmung eingefangen haben? Das wissen wir nicht ganau – vielleicht beim Restaurant Besuch. Oder es ist einfach nur die Folgen von einem absolut übermäßigen Konsum von Honigmelonen… Egal, jedenfalls werdem wir um den 20.07 Kasachstan verlassen und hoffen dann Zabi mit einer Menge an guten Nachrichten von Ammanu in Taschkent wiederzusehen. Bis dahin: Drückt uns die Daumen, dass der “Neue Plan” gelingt.

Statistik

23.06 Aqtöbe – kurz vor Zhurun: 140 km

24.06 k.v. Zhurun – 20 km nach Emba: 103 km

25.06 nach Emba – 50 km vor Shalgar: 104 km

26.06 vor Shalgar – 30 km hinter Shalgar: 87 km

27.06 hinter Shalgar – 60 km vor Yirgiz: 70 km

28.06 vor Yirgiz –  15 km hinter Kreuzungsbereich M 32 / Straße nach Yirgiz: 75 km

29.06  Kreuzungsbereich – 120 km vor Aral im Nichts: 80 km

30.06 im Nichts – Aral: 120 km

01.07 Aufenthalt Aral

02.07 Aufenthalt Aral

03.07 Aufenthalt Aral

04.07 Aufenthalt Aral

05.07 Aral – 60 km vor Zhangaqazaly: 76 km

06.07 vor Zhangaquazaly  - kurz vor Maylybas: 103 km

07.07 k.v. Maylybas – irgendwo zw. Baykonur und Zhosaly: 101 km

08.07 irgendwo zw. B und Z – 5 km hinter III Intercontinantale: 93 km

09.07 III Intercontinentale – wird noch nachgereich: 99 km

10.07 wird noch nachgetragen – wird noch nachgetragen: 84 km

11.07 wird noch nachgetragen – 5 km hinter Baygegum: 79 km

12.07 Baygegum – 80 vor Turkistan: 105 km

13.07 vor Turkistan – Turkistan: 95 km

14.07 Aufenthalt Turkistan

15.07 Aufenthalt Turkistan

16.07 Aufenthalt Turkistan

17.07 Aufenthalt Turkistan

18.07 Weiterfahrt in Richtung Shymkent und Taschkent (UZB)

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Artikel vom 17. Juli 2009 | Joern | Nachricht an Joern schreiben