Veteranen und Krimsekt


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Sonne und Strand, Kaviar und Krimsekt… so stellt sich wohl fast jeder die Krim vor, die berühmte Halbinsel der Ukraine, die vom Asowschen und Schwarzen Meer mit mehr als 1000 Kilometer Küste versehen ist.

Hier verweilen wir und machen ein wenig Urlaub nach knappen 3500km des Radelns. Allerdings ohne Kaviar und Sekt – eher mit Gurken, Tomaten und Zwiebeln und ein wenig Bier aus den schon bekannten zwei Liter Drehverschlussflaschen.

Zuvor aber noch ein paar Infos zu unserem Aufenthalt in Zaporizhzhia bei Ivan, wo wir die Chance hatten, den 9. Mai mitzuerleben. Der 9.Mai wird in der ganzen Ukraine, und allen anderen sowjetisch geprägten Ländern als Tag der Befreiung gefeiert. Der große Vaterländische Krieg wurde gewonnen und jährlich am 9. Mai finden im ganzen Land Gedenkfeiern, Paraden und Volksfeststimmung statt.

Militärparade ohne Parade

Ivan hatte sich genaustens erkundigt, wann denn die Militärparade in Zaporizhzhia los gehen sollte.

In der Parade fahren historische Fahrzeuge, das Militär ist dabei und natürlich marschieren auch die Veteranen die Strassen entlang.

Irgendwie komisch das wir die Parade dann doch verpaßten. Naja, kann passieren.

Auf der Prunkstrasse in Zaporizhzhia waren tausende von Menschen unterwegs und überall sah man Veteranen des Zweiten Weltkrieges mit vielen Orden am Breve, die von den Leuten mit Blumen beschenkt wurden und ihren Ruhm sichtlich genossen. Am riesigen Denkmal des 9.Mai wurden Fotos geschossen, Blumen und Kränze niedergelegt, Kerzen aufgestellt. Dabei muss man sich das so vorstellen, das die Leute von sich aus Blumen mitbringen, diese am Denkmal ablegen oder ihnen völlig fremden Veteranen schenken. Zaporizhzhia wurde 1941 von den Nazis befreit.

Auf einem großen Platz gegenüber des Denkmals waren viele Stände und eine große Bühne aufgebaut. Es wurde gesungen, gegessen, getanzt. Ein wenig erinnerte uns das ans Münstersche Euro-Cityfest.

Eine kleine Parade bekamen wir dann doch noch mit. Die historischen Fahrzeuge, sowjetische und amerikanische Kriegsfahrzeuge, fuhren die Prunkstrasse entlang. Auf und in den Fahrzeugen saßen Leute in historischen Uniformen, die den Menschen zujubelten und irgendwie sehr realistisch wirkten. Durchaus ein schwer einzuordnender Anblick.

Später konnten wir die Fahrzeuge dann noch in einer Ausstellung aus der Nähe betrachten.

Erwähnung am Rande: Einige deutsche Wörter finden sich auch im Ukrainischen wieder. So z.B. Schlagbaum, Butterbrot und Haubitze. Auch das Lied „Oh du lieber Augustin“ ist in der Ukraine bekannt – die Nazis haben es wohl mitgebracht…

Ivan meinte das man später am Abend nur noch Besoffene auf der Strasse antreffen würde; das erlebten wir dann Gott sei Dank anders. Unser Gastgeber wollte uns unbedingt einen Jazzclub zeigen, in dem abends immer live Musik zu hören ist. Es war eine sehr schön eingerichtete Kellerbar. Was uns jedoch auffiel waren die Gäste. Und Ivan betonte auch noch einmal, dass sich hier in der Jazzbar eher die Intellektuellen treffen. Anstatt Bier wurde Weinbrand oder Cognac getrunken. Dies sollte unser letzter Abend in Zaporizhzhia bei Ivan sein.

Das erste wirklich wilde Tier

Am Morgen des 10. Mai verabschiedeten wir uns von Ivan und seinem Kumpel Alexij. Mit einer riesigen Tüte voller leckerer Schokoladenbonbons ausgestattet, die uns Alexij mitgebracht hatte, zeigten uns die beiden, in dem sie mit dem Auto voraus fuhren, wie wir auf die Hauptstrasse Richtung Süden kommen koennen.

Da wir noch Zeit haben bis wir in Russland einreisen können, haben wir beschlossen einen „Schlenker“ über die Krim zu fahren. Alexij, der sich geographisch gut auskennt, hat uns viele Tipps gegeben. So änderten wir unsere bis dahin ständige Reiserichtung gen Osten in eine südliche „Urlaub-wir-kommen-Richtung“. Da wir keine regionale Karte auftreiben konnten, mussten wir uns auf unser Kartenmaterial verlassen und uns blieb nicht viel übrig als die großen Hauptstrassen zu fahren. So radelten wir bei recht gutem Wetter und zufrieden, wieder auf dem Fahrrad zu sitzen, Richtung Melitopol. Die Landschaft änderte sich und es wurde wieder etwas hügliger und auch wesentlich feuchter. Seen, komplett mit Schilf zugewachsen, wurden immer häufiger und wir merkten das wir dem Meer immer näher radelten.

Plötzlich eine Vollbremsung von Jörn. Was war los? Klaus konnte sein Fahrrad gerade noch zum Stehen bringen um einen Totalcrash zu vermeiden. Eine Schildkröter blockierte unseren Weg. Naja, blockierte ist vielleicht das falsche Wort. Aber wenn eine Schildkröte, und zwar ein recht stattliches Exemplar am Wegesrand sitzt und sich sonnt, dann kann man wohl kaum vorbeifahren. Schließlich war diese, sich in ihren Panzer zurückziehende Tierchen, unser erstes wirklich wildes und exotisches Tier. Allen Lockversuchen zum Trotz, verließ die Schildkröte ihren Panzer nicht, wir überlegten, das so ein Haus auf dem Rücken schon praktisch sein müsste. Auch für uns, wir müssten nicht jeden Abend das Zelt aufbauen und am andern Morgen wieder abbauen…

Ereignisloser Tag auf der Autobahn

Wir juckelten mit unseren Fahrrädern immer entlang der Hauptstrasse und der 11. Mai wird uns wohl im Gedächtnis bleiben – weil überhaupt nichts Spannendes passierte. Ob es so wohl in Kasachstan sein wird? Wo uns wohl noch endlosere Weiten und nur Steppe erwartet… wir sind gespannt. Doch erstmal erwartet uns das Asowsche Meer. Nord-östlich der Krim gelegen und 76 mal so groß wie der Bodensee und maximal nur 15 Meter tief.

Wasser – überall nur Wasser !

Das Asowsche Meer im Blick, nahmen wir uns vor, eine Nehrung entlang zu fahren, von der schon Alexji meinte, das es herrlich dort sein müsse.

Von Heniches´k aus, führt die Nehrung Arabats´ka Strilka über 100 km auf die Krim. An ihrer breitesten Stelle etwa 5 km, an der schmalsten Stelle geschätzte 150 Meter.

Führt erst noch eine Betonstrasse auf die Nehrung, wird die Strasse schnell immer schmaler, bis sie schließlich in eine sandige Wellblechpiste übergeht.

Was uns sehr schnell klar wurde: diese Gegend wird ein highlight an Strecke auf unserer bisherigen Tour. Sahen wir gen Westen, sahen wir ein riesiges Haff, das uns kilometerweit vom Festland und der Krim trennte und auf der östlichen Seite das Asowsche Meer bis zum Horizont. Ansonsten nur wir, unsere Fahrräder und unendlich viele Mücken.

Der Sandstrand des Asowschen Meeres lockte uns natürlich auch und obwohl das Wasser doch noch ziemlich kalt waren sprangen wir in die Fluten. Der Strand ist übersäht mit kleinen und kleinsten Muscheln. Der Sand besteht quasi nur aus Muscheln. Leider wird der Strand aber ebenso von endlos vielen, herrenlosen Plastikflaschen heimgesucht, was den schönen Anblick ein wenig mindert. Doch hatten die Plastikflaschen auch was Gutes. So konnten wir unsere Fahrräder auch am Sandstrand parken, indem wir eine plattgerdrückte Flasche unter den Fahrradständer legten, damit dieser nicht im Muschelsand einsinkt.

Wir erfrischten uns im Meer, kochten Nudeln am Strand und pedalierten langsam die Wellblechpiste entlang. Einfach herrlich! Auch Jörns erster Platten, nach 3211km, konnte die Hochstimmung nicht trüben. Der Tag endete mit dem Aufbauen des Zeltes am Strand, einem wunderschönen Sonnenuntergang und vielen Mückenstichen.

Von der Nehrung zum russischen Sinnsucher

Die Wellblechpiste schien kein Ende zu nehmen. Nachdem wir das Zelt abgebaut, gefrühstückt und alles wieder verpackt hatten, ging es die Nehrung weiter. Laut Karte eigentlich nur 100 km, aber irgendwie war nach 100 km immer noch nicht Schluss. Mit dem Ende der Nehrung bot sich uns ein grandioser Ausblick auf die Berge der Krim, die immerhin über 1500 m hoch sind.

Wir wollten es an diesem Tag bis Feodosia schaffen, wo wir über couch-surfing eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten bekommen hatten. Auf der Krim angekommen, fing es dann leider an zu regnen. Das ist wohl das Besondere an der Krim, der Regen schafft es immer nur bis zu den Bergen, regnet dort ab und hinter den Bergen scheint immer die Sonne – genau am Strand also.

Taras, unser Gastgeber in Feodosia, lief uns in der Stadt zufällig über den Weg. Er war just auf dem Weg einen großen Kuchen für uns zu kaufen. Der Russe aus Moskau, mit Mutter, die in Stuttgart wohnt, ist ein eigensinniger Zeitgenosse. Er erzählte uns, daß er sein Moskauer Leben hinter sich gelassen hätte, um nun auf der Krim seine „Innere Mitte“ zu finden. Dafür hat er zwei mal wöchentlich Unterricht bei einem Meister der ihn in einer Art Chi-goon unterrichtet. Als wir später am Abend – ziemlich müde – dann noch einige Übungen mit Taras machten – er uns nebenbei erzählte er habe mal in einem seichten „Spielfilm“ mitgespielt – und er Klaus dann auch noch von seiner Brille durch Energiezuführung und Blockadenbeseitigung befreien wollte und ziemlich enttäuscht war das es nicht funktionierte, waren wir froh dann doch endlich in unsere Betten kriechen zu können. Zuvor hatte Taras noch auf einer ehr schlechten Kopie, auf der die menschlichen Organe abgebildet waren, versucht, Jörns Eingeweide zu massieren und ihnen Energie zuzufuehren – leider ohne Wirkung…

Urlaub mit Gurken, Tomaten und Zwiebeln

Von Taras verabschiedeten wir uns am Morgen des 15. Mai. Wir hatten Kontakt mit Markus aufgenommen, der vor zwei Jahren auf die Krim nach Koktebel gekommen war, da er das stressige Leben in Deutschland hinter sich lassen wollte. Wir konnten ueber ihn organisiert eine super Unterkunft beziehen, mit kleiner Küche und Bad. Hier machen wir jetzt einfach mal Pause.

Fünf Nächte werden wir in Koktebel bleiben. Neben Emails und Berichte schreiben, Fahrradpflege, Wäsche waschen von Hand und morgens leckerm Weißbrot mit Käse, Tomate, Gurke und Zwiebel essen, haben wir auch schon ein wenig „Kultur gemacht“ und uns ein uraltes armenisches Kloster angeschaut und sind mit dem Rad ueber die Berge nach Sudack geradelt. Ausserdem quatschen wir viel mit Martin, der sich hier natuerlich gut auskennt. Die Krim ist eine wirklich interessante Halbinsel, die offiziell den Titel „Autonome Republik Krim“ trägt. Hier leben als Hauptbevoelkerungsgruppen Russen, Ukrainer und Krimtataren zusammen. Der Islam ist hier deutlich zu sehen, anhand der ersten Moscheen die wir auf unserer Reise bisher zu Gesicht bekommen haben. Aber dazu dann im nächsten Bericht mehr.

Statistik der Radreise – Von Zaporizhzhia nach Koktebel

10.05 Zaporizhzhia – kurz vor Melitopol: 116 km

11.05 Kurz vor Melit. – Novohryhorivka: 96 km

12.05 Novohryhorivka – Heniches´k: 43 km

13.05 Heniches´k – Halbe Nehrung: 78 km

14.05 Halbe Nehrung – Feodosia: 100 km

15.05. Feodosia – Koktebel: 24 km

16.05. Aufenthalt Koktebel

17.05 Aufenthalt Koktebel / Fahrt zum Kloster: 75 km

18.05. Aufenthalt Koktebel / Fahrt nach Sudek: 90 km

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Artikel vom 18. Mai 2009 | Klaus | Nachricht an Klaus schreiben