Urlaub von der Radreise?!


Die Urlaubsttruppe - Doro, Eva, Joern, Klaus und Dieter.“Urlaub von der Radreise”. Genau das ist es, was wir die letzten vier Wochen gemacht haben. Doch soll es sich dabei nicht so anhoeren, als haetten wir keine Lust mehr auf dem Rad in Richtung Wladiwostok zu fahren, und ein Urlaub waere notwendig gewesen. Es ist vielmehr so, dass das Radfahren fuer uns, nach ueber sechs Monaten im Sattel  ”sowas von Alltag geworden ist”, das mehrere Tage an denen wir nicht auf dem Fahrrad sitzen uns eben wie ein Urlaub erscheinen…Dieser Vergleich soll natuerlich nicht dazu verleiten, sich vorzustellen, das eine Radreise allmaehlich langweilig werden wuerde. Es ist eher so zu verstehen, dass – so unsere Erfahrungen - eine solche Radreise trotz aller neuen Erlebnisse irgendwann immer auch, und wenn auch nur zum Teil, als Alltag verstanden werden sollte. Warum? Um das Ziel der Radreise ueberhaupt erreichen zu koennen! Denn, wenn auf der Radreise Dinge wie das “grundsaetzliche Unterwegs sein mit dem Rad”, das “nicht immer bequeme Uebernachten im Zelt” oder die “oftmals anstrengenden Sprachbarrieren”,  nicht irgendwann als Alltag angesehen, sondern weiterhin als Herausforderung verstanden werden, wird die Radreise um einiges Anstrengender werden, als wenn man diese Dinge als ganz normalen Alltag versteht. Von daher ist es vielleicht nachvollziehbar, das die letzten vier Wochen, in denen wir ausschiesslich mit dem Zug in China herumgereist sind, nahezu ausnahmslos in Hotels geschlafen haben und uns fast immer auf Englisch oder Deutsch verstaendigen konnten, uns wie ”Urlaub von der Radreise” vorgekommen sind. Eben, weil der Alltag auf dem Rad ein anderer ist…

3 x Urlaub in vier Wochen

Und eigentlich waren es fuer uns sogar drei aufeinander folgende Urlaube: Denn von Beijing aus fuhren wir fuer knapp eine Woche nach Hong Kong (20.09 – 26.09), um unser auslaufendes Visum zu erneuern. Diesem Urlaub Nr. 1 schloss sich nach unserer Rueckkehr in Beijing direkt der Urlaub Nr. 2 an. Die fast dreiwoechige Reise (27.09 – 18.10) mit Doro, Eva und Dieter durch den Osten Chinas mit dem Endpunkt Shanghai. Und waehrend der Rueckfahrt nach Bejing folgte mit einem dreitaegigen Zwischenstopp in Hefei (19.10 -21.10), der Partnerstadt von Osnabrueck, unser Urlaub Nr. 3. Ein grober Blick auf die Landkarte genuegt, um festzustellen, dass die einzelnen “Urlaubsorte” weit verteilt im gesamten Osten Chinas liegen. So verwundert es nicht, dass wir in den vergangenen vier Wochen ca. 9600 Bahnkilometer zurueckgelegt haben…

Urlaub Nr 1: Hong Kong

Davon entfallen allein 4000 Kilometer auf die Strecke Beijing – Hong Kong – Beijing. Und spaetestens als wir aus dem klimatisierten Zug in Hong Kong ausgestiegen sind, merkten wir, dass sich Nord- und Suedchina extrem voneinander unterscheiden – was uns allerdings schon zuvor an der Landschaft aufgefallen war. Dennoch waren wir ueberrascht, dass aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit unsere T-Shirts bereits nach einigen Sekunden am Koerper klebten, und wir aussahen, als haetten wir einen Regenschauen abbekommen…Der Norden Chinas ist tendenziell eher trocken, bei dennoch starkt ausgepraegten Jahreszeiten. Der Sueden Chinas ist hingegen feucht, und Fruehling, Sommer, Herbst und Winter machen sich in einem viel geringerem Masse bemerkbar. Und neben dem Wetter ist vor allem das wirtschaftliche und politische System in Hong Kong – obwohl es zu China gehoert – anders als in Beijing und im uebrigen China: “Ein Land – zwei Systeme”. Dies ergibt sich aus der Folge, dass Hong Kong bis 1997 britische Kronkolonie war uns seit der Rueckgabe an China als Sonderverwaltungszone gefuehrt wird. So koennen wir nach Ablauf unseres 30 Tage Visums in China ohne Visum nach Hong Kong einreisen.

Warum Hong Kong?

Und machen das mit dem Vorhaben, hier ein 90 Tage Visum fuer China zu beantragen, um den zeitraubenden Verlaengerungsantraegen unseres Erstvisums entgehen zu koennen. Denn die Beschaffung eines 90 Tages Visums fuer China ist wahrscheinlich nirgendwo auf der Welt einfacher als in Hong Kong: Visaagentur aufsuchen, Visa-Formular unterschreiben, Reisepass und ein Passbild abgeben, Visa- und Bearbeitungsgebuehr bezahlen, 4 bis 24 Stunden warten, Visum abholen. Da wir wissen, wie aufwendig es sein kann, ein 90 Tage Visum von Deutschland aus zu beantragen – hierzu ist z.B. ein Einladungsschreiben aus China im Original dem Visaantrag beizulegen – stellen wir einmal mehr fest, wie unverstaendlich Politik sein kann – ueberall auf der Welt…

Hong Kong – anders als gedacht!

Auf der einen Seite ist Hong Kong so, wie wir uns es vorgestellt haben. Viele Menschen. Viele Hochhaeuser. Viel Verkehr. Viel Hektik. Doch auf der anderen Seite ist Hong Kong vor allem gruen, ruhig, angenehm. Denn zur Sonderverwaltungszone Hong Kong gehoeren insgesamt 256 kleine und mittelgrosse Inseln, mit einer Vielzahl an Wanderwegen, leeren Straenden und dichten Waeldern. Bei der kurzen Zeit, die wir in Hong Kong sind, koennen wir leider nur einen Bruchteil davon kennen lernen…Und so beschraenken sich unsere Wanderaktivitaeten mit dem Besuch des 552 m hohen Victoria Peak, um die Aussischt auf die Hong Konger Stadtteile Kowloon und Central zu geniessen, zwischen denen das suedchinesische Meer liegt.

“Menschen fuehren – Leben wecken

Ausserdem wollten wir uns mit einem anderen Deutschen “treffen”, der zur gleichen Zeit in Hong Kong war wie wir: Pater Anselm Gruen. Zufaelligerweise hatten wir bei der Besichtigung der St. John’s Cathedral, einem der letzten Kolonialbauten in Hong Kong, eine Plakatankuendigung ueber den Besuch von Anselm Gruen gesehen. Anselm Gruen ist ein Benediktinerpater vom Kloster Muensterschwarzach und Autor von ca. 300 Buechern mit einer Gesamtauflage von 15 Millionen Exemplaren. Er macht eine Autorenreise durch Asien fuer sein neues Buch: Menschen fuehren – Leben wecken. In Deutschland ist er vor allem dadurch bekannt, dass er eine Vielzahl von Seminaren fuer Manager grosser Unternehmen gibt, u.a. zu dem Thema, ueber das er auch in einem seiner Vortraege in Hong Kong spricht: “Unternehmensfuehrung mit Werten”. Da wir unter den geschaetzten 100 Zuhoerern neben Anselm Gruen die einzigen Deutschen sind, fallen wir auf und werden von verschiedener Seite angesprochen. Auch vom anglikanischen Priester, in dessen Kirche der Vortrag stattfindet. Uns so ergibt es sich, dass wir neben einer fuer uns sehr ueberraschenden Erwaehnung in der Begruessungsrede des Priesters, Anselm Gruen nach seinem Vortrag vorgestellt werden, und ein bisschen mit ihm ueber Hong Kong und die Radreise quatschen koennen…

22. September – World Car Free Day

In unseren Aufenthalt in Hong Kong faellt auch der 22. September – der WORLD CAR FREE DAY. Die Idee des “weltweiten autofreien Tags” ist es, dass Auto stehen zu lassen und Wege zur Arbeit, zum Einkaufen oder wohin auch immer zu Fuss, mit Bus und Bahn oder eben mit dem Fahrrad zurueckzulegen. Er soll u.a. zeigen, wie unsere Staedte ohne Autos aussehen wuerden und darauf hinweisen,das die Beruecksichtigung von alternativem Fortbewegungsmitteln gegenueber dem Auto, wie Radfahren oder Bus und Bahn, bei stadtplanerischen und politischen Entscheidungen gestaerkt werden sollte. Mit unterschiedlichen Aktionen beteilitgen sich Staedte auf der ganzen Welt am WORLD CAR FREE DAY. So wurden in New York ganze Strassezuege fur den Autoverkehr gespeert, so das die Menschen die Moeglichkeit hatten, den so frei werdenden oeffentlichen Raum fuer sich zu nutzen. Auch die Stadt Hong Kong und deren politische Vertreter unterstuetzten den WORLD CAR FREE DAY. Der Buergermeister der Stadt ging zu Fuss ins Rathaus. Einige Beamte der Stadt kamen mit dem Fahrrad. Im hektischen Alltag Hong Kongs war der autofreie Tag fuer uns jedoch nicht wahrnehmbar. Auch in Deutschland steckt die Umsetzung des WORLD CAR FREE DAY noch in den Kinderschuhen. Sogar die Fahrradstadt Muenster veranstaltet keinerlei Aktionen zum weltweiten autofreien Tag. Der WORLD CAR FREE DAY braucht Unterstuetzung: Ein grosser Unterstuetzer ist unserer Freund Patrick. Im April 2010 startet er von Muenster aus eine Weltumradelung, um fuer die Etablierung eines autofreien Tags in Muenster zu werben. Alle Infos gibt es unter: www.leezenpower.de

Urlaub Nr. 2: Beijing – Xian – Chengdu…

Nach der 25 Stunden dauernden Zugfahrt zurueck von Hong Kong nach Beijing, haben wir nur wenig Zeit, die Erlebnisse in Hong Kong sacken zu lassen. Eva, Dieter und Doro landen um 7.00 Uhr am Flughafen. Der wirkliche Urlaub fuer uns fuenf beginnt. Ein engagiertes Programm haben wir uns fuer die drei Wochen vorgenommen. Peking – Xian – Chengdu – Guilin – Yungshuo – Hangzhou – Shanghai: diese Staedte liegen auf unserer Reiseroute. Wir besichtigen u.a. die Verbotene Stadt in Beijing, machen einen Spaziergang auf der Verbotenen Mauer, beobachten Pandabaeren der Aufzuchtsstation Chengdu, bestaunen die Terra-Kotta-Armee in Xian, machen eine Bootstour auf dem Fluss Li und erleben die Vorbereitungen zur EXPO 2010 in Shanghai…Natuerlich ist die Rundreise eine ganz andere Art des Unterwegs seins als die Radreise. Fuer uns (Klaus und Joern) ist es so z.B. richtig entspannend drei Wochen lang dem Reisefuehrer nur hinterherlaufen zu koennen, und nicht selber nach dem Weg fragen zu muessen, nicht jeden Abend einen Zeltplatz suchen zu muessen oder Essen zu bestellen, in einer Garkueche, in der wir uns nur schwer verstaendlich machen koennen… Die Rundreise ist eben kein Alltag fuer uns – sondern Urlaub!

Und noch etwas ist ganz anders als auf der Radreise. Viele Sehenwuerdigkeiten liegen in China weit auseinander, und nur sehr selten direkt an den Strassen, auf denen wir mit dem Rad unterwegs sind oder direkt in den Staedten, durch die wir fahren. Und bei den immensen Entfernungen in China faehrt man nicht mal eben zu dieser oder jener Sehenswuerdigkeit – obwohl sie zwar in der Naehe ist, aber einen Umweg von zwei oder mehr Tagen fuer uns auf dem Rad bedeuten wuerde…Unterwegs mit Zug, Bus und Taxi ist das natuerlich ganz anders. Und so ist es fuer uns perfekt, durch die Rundreise eine Vielzahl an Sehenswuerdigkeiten entdecken zu koennen…

Urlaub Nr. 3: Hefei

Gefuehlt vergingen die drei Wochen der Rundreise viel zu schnell. Und nachdem wir Eva, Doro und Dieter in der Magnetschwebebahn mit Tempo 431 km/h zum Flughafen Pudong in Shanghai gebracht hatten, fuhren wir auch schon am selben Tag mit einem anderen Schnellzug weiter in Richtung Hefei, der Partnterstadt Osnabruecks (18.10). Dort angekommen wurden wir von Yuanyuan schon erwartet. Sie war im Rahmen eines Austauschprogramms zwischen der FH Osnabrueck und der Anhui Medical University fuer ein Jahr in Osnabrueck gewesen. Aus dieser Zeit kennen sich auch Yuanyuan und Joern. Beide studieren Management im Gesundheitswesen. Schon im Vorfeld hatte Yuanyuan gefragt, ob Joern nicht einen Vortrag ueber das Gesundheitssystem in Deutschland machen koennte: und knapp 40 Studenten haben sich den Vortrag dann auch sogar angehoert…

Weltrekord – Glueckwunsch Guido!

Seit gestern sind wir jetzt wieder zurueck in Beijing bei Diana und Andreas, waschen nochmal die Klamotten durch, checken die Fahrraeder und packen die Radtaschen. Hier hat uns auch die Nachricht erreicht, dass Gudio Kunze, den wir beim Besuch von Muensters Partnerstadt Muehlhausen zu Beginn unserer Radreise kennen lernen durften, einen neuen Weltrekord mit dem Rennrad aufgestellt hat. Er hat in nur 8 Tagen und 10 Stunden den australischen Kontinent von Sydney nach Perth durchquert. Bei einer Gesamtdistanz von 4500 km sind das mehr als 500 km pro Tag: www.guido-kunze.de. Glueckwunsch Guido!

Kein Schnee und Regen bis Mitte/ Ende November

Nicht ganz so schnell wie Guido aber doch recht zuegig wollen und muessen wir auch wieder auf die Strasse und Wladiwostok erreichen – denn der Winter kommt! Zwar sind in Beijing noch angenehme 18 bis 20 Grad, aber die oestlich der Hauptstadt gelegenen Provinzen melden fuer tagsueber teilweise schon einstellige Temperaturen. Wir muessen uns also etwas beeilen und hoffen, dass wir unser Ziel noch vor dem richtigen Wintereinbruch erreichen. Knapp 1600 km sind es “nach Karte” noch bis zur Hafenstadt am Japanischen Merr. Und auf dem Weg dorthin kommen wir laut unserem Reisefuehrer noch an mehreren Skigebieten vorbei – was wohl ein klarer Hinweis darauf ist, das es in dieser Ecke Chinas ne Menge Schnee geben koennte. Wir hoffen, Mitte/Ende November in Wladiwostok anzukommen. Mal sehen, was passiert, denn nochmal in den Zug einsteigen, wollen wir eigentlich nicht…

Reisestatistik – diesmal eher eine Urlaubsstatistik

21.09 Ankunft in Hong Kong

22.09 Aufenthalt in Hong Kong

23.09 Aufenthalt in Hong Kong

24.09 Aufenthalt in Hong Kong

25.09 Zugfahrt Hong Kong – Beijing

26.09 Ankunft in Beijing

27.09 Ankunft Eva, Doro, Dieter / Aufenthalt in Beijing / Start der Rundreise

28.09 Aufenthalt in Beijing

29.09 Aufenthalt in Beijing

30.09 Zugfahrt Beijing – Xian

01.10 Aufenthalt in Xian

02.10 Aufenthalt in Xian

03.10 Zugfahrt Xian – Chengdu

04.10 Ankunft in Chendgu

05.10 Zugfahrt Chengdu – Guilin

06.10 Ankunft in Guilin

07.10 Aufenthalt in Guilin

08.10 Bootsfahrt Guilin – Yuangshuo / Ankunft in Yuangshuo

09.10 Aufenthalt in Yuangshuo

10.10 Aufenthalt in Yuangshou

11.10 Zugfahrt Yuangshou – Hangzhou

12.10 Aufenthalt in Hangzhou

13.10 Zugfahrt Hangzhou – Shanghai / Ankunft in Shanghai

14.10 Aufenthalt in Shanghai

15.10 Aufenthalt in Shanghai

16.10 Aufenthalt in Shanghai

17.10 Aufenthalt in Shanghai

18.10 Abreise Eva, Doro, Dieter / Ende der Rundreise / Zugfahrt nach Hefei / Ankunft in Hefei

19.10 Aufenthalt in Hefei

20.10 Aufenthalt in Hefei

21.10 Zugfahrt Hefei – Beijing

22.10 Ankunft in Beijing

23.10 Aufenthalt in Beijing

24.10 Weiterfahrt in Richtung Wladiwostok

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Artikel vom 23. Oktober 2009 | Joern | Nachricht an Joern schreiben